Die perfekte Illusion

Am Samstag war es so weit. Mal wieder. Alles.war.schrecklich. Ein vernichtender Tag für Rán und mich.

Was war passiert?

Rán hatte schlimme Atemwegsprobleme vergangenes Wochenende. Also war ganz klar: Jeden Tag hin, viel Aufmerksamkeit und v.a. viel Bewegung. Anordnung war: Nicht reiten, nur führen. Die Situation am Samstag: Regen, aber diese extrem fiese Nieselregen schräg von der Seite. Das ist der einzige Regen neben Prasselregen, wo sich unsere Ponys unterstellen. Ich war die fiese Tante, die die Rán jetzt trotzdem rausgezwungen hat. Schonmal ganz ungünstig…

Weil ich mir schon dachte, dass sie weder die Idee raus zu müssen, noch dann einfach nur ruhig im Schritt durch die Gegend zu laufen, gut finden würde, hatte ich mich gut vorbereitet. Ich hatte mir im Kopf einzelne erste Schritte eines Trailparcours ausgedacht – konkret sollte das sein: Auf Kommando Abstand vergrößern und verringern (parallel zueinander), auf ein bereits bekanntes visuelles Signal anhalten und mich vorbeilassen oder wieder aufholen dürfen, stehen bleiben, rückwärts gehen und Slalom um Bäume + Stangenmikado am Boden (hab sogar ein  gutes gefunden). Also eigentlich alles, damit es nicht zu langweilig werden kann 🙂

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Aber Pustekuchen: Rán hatte auf nichts Lust, sie hat nicht zugehört, geschnappt, war nicht zu begeistern und schlussendlich sind wir beide miesepetrig nebeneinander hergestapft. Ohne Miteinander, ohne Spaß. Wirklich nur um der Bewegung willen.

Daheim angekommen war ich so traurig. Denn: Anscheinend muss das ja an mir liegen. Nur ich habe so Probleme mit dem Clickertraining. Nur bei mir läuft es nicht astrein, sondern immer nur mit Umwegen, auf einen Schritt vor kommen zwei zurück, das Thema Höflichkeit wird immer bleiben und das begeisterte Pferd, von dem alle sprechen, das finde ich auch nur jeden zweiten Tag.

Kurzum: Ich habe mich täuschen lassen. Von der perfekten Illusion. Das war mir nur zu dem Moment noch nicht klar (und wenn ich ehrlich bin, mich als Perfektionisten davon zu überzeugen, dass auch andere bestimmt unschöne Tage haben, ist nicht leicht). Verzweifelt habe ich mich erst bei meinem Freund ausgeheult und schließlich bei Tanja. Die Liebe hat es mit ihren Ponys auch nicht immer einfach, obwohl sie meines Erachtens so eine tolle Pferdeperson ist, die mit viel Liebe und Geduld ihren Fellnasen gegenüber tritt.

Mit all dieser Geduld hat sie auch meine Motz-Mimi-Attacke ertragen und mir anschließend viele Dinge aufgezeigt, die ich natürlich irgendwie schon weiß, aber ganz ehrlich: Wenn die Welt grad grau ist, dann will man sie auch erstmal eine Weile grau sehen, bevor man langsam die Realität erkennt. Ihre Tipps könnt ihr auf ihrer eigenen Seite lesen.

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Dennoch brennt es mir auf der Seele. Das Internet mag uns helfen, uns durch verschiedene Videoplattformen schnell Informationen visuell zur Verfügung stellen, verschiedene Foren zu jeglichem Trainingsbereich mit Pferd lassen sich finden, über Facebook allein gibt es x Pferdegruppen mit vielen Idee. Aber: Wer postet auf all diesen Plattformen schon solche Tage wie meinen Samstag? Wer postet auf seinem Blog, dass etwas einfach gar nicht klappt – und zwar nicht in geschönten Nebensätzen, sondern klipp und klar?

Richtig: Kaum jemand!

Und warum? Weil wir Menschen dazu neigen uns gut verkaufen zu wollen. Wir wollen nicht der Loser sein, der Außenseiter, der nicht alles fehlerfrei umsetzen kann. Wir wollen glänzen, uns verkaufen, toll sein, Aufmerksamkeit und Lob erregen. Dafür kann ich auch niemanden kritisieren, es liegt in unserer Natur. Außerdem wird es wohl auch jedem so gehen wie mir: Diese Tage will man am liebsten löschen, erinnern mag man sich an die schönen Situationen!

Dazu gehören für mich (v.a. für die Pferdewelt) nur noch zwei entscheidene weitere Dinge:

– Selbstreflexivität: Das Können, sich und seine eigenen Handlungen zu hinterfragen und demnach das Handeln anzupassen.

– zu erkennen, dass man nicht alleine am Stall ist. Da steht ein Pferd neben einem. Ein Pferd, dass ebenfalls denkt, fühlt, schlechte und gute Tage hat, vielleicht auch einfach keine Lust auf Regen. Die schwierige Komponente daran ist: Das Pferd kann das nicht verbalisiert äußern, also müssen wir hinterfragen und man wird nicht immer sicher wissen, was grad los ist.

Was ich euch mit diesem Artikel sagen will:

Es ist gut, dass wir uns übers Internet schnell Informationen holen können (solange wir diese nicht ungefragt übernehmen!). Aber wichtig ist: Nur weil es scheinbar perfekt ist, niemand sonst Fehler macht, heißt das nicht, dass man selbst nicht Fehler machen darf!

Fehler gehören für den Lern- und Entwicklungsprozess ganz entscheidend dazu 🙂 Man sagt nicht umsonst: Aus Fehlern wird man klug. Denn über Fehler denkt man nach, will sie vermeiden, verändert seine Handlungen und Haltungen und am Ende hat man gelernt und sich entwickelt. Darauf kommt es an!

Übrigens: Am Sonntag schien die Sonne wieder, im wahrsten Sinne des Wortes. Alles war fein. Die perfekte Illusion – ihr sehr sie auf den Bildern in diesem Beitrag 😉

P.S. Daniela von fair-riding-corp hat einen Artikel aus dem erweiterten Themengebiet. Nämlich Schuster, bleib bei deinen Leisten und wie Trainer einen verwirren können. Schaut gern mal rein!

10 Kommentare zu “Die perfekte Illusion

  1. Hi Ann-Christin, fühl Dich gedrückt!.
    Solche Tage, wie Deine Samstage haben wir alle und wir alle zweifeln an uns und an unserem Weg. GottseiDank zweifle ich nur ganz selten an meinen Ponys. 😉 Obwohl auch uns das Thema Höflichkeit bis in alle Ewigkeit begleiten wird.
    Zeige ich zu oft die heile Welt – ich weiss es nicht! Ich versuche meine Videos möglichst, wenig zu schneiden und eben auch die Szenen drin zu lassen in denen ich zu spät clicke oder den Click übersehen habe. Früher hab ich ewig lange Videos gepostet, um eben zu zeigen, das man manchmal auch da steht und es nicht voran geht. Diese langatmigen Demos schaut sich aber niemand an 😦 Also dann doch lieber ein knackiges 3 Minuten Video schneiden ? Ich bin noch auf der Suche nach dem Mittelweg.
    Liebe Grüsse auch an Rán und gute Besserung.
    Sabine

  2. Hi, jaaa, ich kenne diese Tage auch sehr gut und ja, sie frustrieren mich auch sooo sehr, dass ich wirklich starke Zweifel hege, an allem. Leider schleppe ich es natürlich auch außerhalb des Stalles mit mir rum und möchte mir gerne ein Loch graben und nie wieder raus kommen. Gott sei dank kommen auch die guten Tage voller Motivation wieder, wo alles super läuft und vor allem die Beziehung/Verbindung zum Pony wunderbar ist. Durch die Täler muss man wahrscheinlich einfach durch, natürlich schreibt davon niemand gerne im Netz 😉

  3. Nach 8 Jahren mit einem COB/RAO Pferd weiß ich sehr gut wie sich das anfühlt …aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass es an schlechten Tagen (was Atmung angeht) besser ist, sich nur auf das wesentliche zu konzentrieren: in dem Fall spazierengehen im Schritt oder spazierenreiten (was ich meistens mache) – alles andere ist einfach zu anstrengend. Ich denke mir auch oft, mein Pferd braucht Abwechslung, aber wahrscheinlich bin nur ich es, die manchmal Abwechslung braucht von der täglichen Routine. Meinem Pony ist es recht, wenn es einfach nur gehen muss/kann/darf damit die Atmung besser wird. Es liegt sicher nicht am Clickern, aber wenn man nicht ganz gesund ist, möchte man einfach seine Ruhe haben (gilt wahrscheinlich aber auch nicht für alle Pferde)… Kopf hoch! Ich schreibe meistens auch nur positives, allein schon deswegen, weil ich nicht immer jammern will, wenn es meinem Pferd schlecht geht – schließlich hat sie auch sehr viele gute Tage und ich hebe lieber diese hervor 🙂 Mit Hustenpferden ist es einfach echt nicht einfach …..man soll sie bewegen, aber auch nicht zuviel, man kann meist keine Leistung fordern und und und. Alle, die sich mit einem Hustenpferd durchkämpfen bewundere ich sehr. Deswegen: tapfer bleiben!

  4. Pingback: Lesenswert: Über Ziele… | Ponyliebe

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